Mittwoch/ Donnerstag. 15./16. Juli 2009
Eine letzte grössere Tour steht an. Geplant ist über die Sierra Nevada zu fahren und auf der anderen Seite das höchst gelegene Dorf Spaniens mit seiner bekannten Eichel-schinkenproduktion zu besuchen.
Auf der A92 geht es in einer halbstündigen Fahrt nach Granada. Am Ende der Stadtautobahn scheint mir der Mythos der Alhambra übermächtig zu werden. Also abgebogen und zur grossen Luxusburg der Mauren gefahren. Ich parke auf Parkplatz 3. Alles andere ist ausgebucht. Kaum ausgestiegen und auf den Marsch gemacht, werde ich von 3 Zigeunerinnen angehalten. Eine drückt mir einen Rosmarinzweig in die Hand. Ich verstehe naiver weise das Ganze als Willkommensgeschenk. Es hat aber einen anderen Hintergrund. Sie wwill mir aus der Hand lesen. Ziemlich unartig drücke ich ihr den Rosmarin wieder in die Hand, und mache mich auf den Weiterweg. Paga, paga, keifen die 3 Weiber hinter mir her. Das beeindruckt mich allerdings wenig und ich setze meinen Weg zum Haupteingang fort, zusammen mit Strömen von Menschen. Geduldig platziere ich mich in einer Wartekolonne in der prallen Sonne. Keine Preisangaben, nichts. Jeder will sie sehen und dies wird ziemlich brutal ausgenutzt. Halb Granada will von diesem Tourismusmagneten leben. Dabei entsinne ich mich, das Buch über die Alhambra bereits zwei mal gelesen zu haben. Was könnte ich eigentlich noch neues sehen? Als nach 20 Minuten die Schlange immer länger ist und vorne niemand hineingelassen wird, Wähle ich den Abgang durch die Mitte, respektive unter dem Absperrseil durch. Kommerz total. Auf dem Rückweg beobachte ich, wie ein Parkwächter die Zigeunerinnen verscheucht. Sie werden 100 Meter weiter ihr Handwerk wieder aufnehmen. Ich verlasse den berühmten Ort.
Also auf zum höchsten Berg des spanischen Festlandes, dem Mulhacén, in die Sierra Navada. 3482 m hoch gelegen ist er und das nur 32 km Luftlinie vom Meer entfernt. Auf einer gut ausgebauten Strasse geht es aufwärts. Alle 500 m Höhenmeter steht ein Hinweisschild. Die Strasse führt hinauf zum Wintersportort Sierra Nevada. Hier also haben sie Ski laufen gelernt, die grossen Stars der spanischen Nationalmannschaft. Es gibt hier viele Hotels und auch eine Jugendherberge. Auf 2400 m gelegen ist Sierra Nevada einiges höher als Zermatt mit seinen 1600 Metern, allerdings bei weitem nicht so gross.
Die Strasse ist ab hier nicht mehr so breit. Überall wird an der Wasserversorgung gebaut.
Aber was ist das? Ein grosser Parkplatz mit einer Imbissbude beendet die Überfahrt.
Nein, ab hier geht es nur noch mit dem Bus weiter. Zwei Tafeln mit „Verbotene Durchfahrt“ signalisieren das Ende. Einige Autos fahren doch durch. Es sind Parkwächter und Arbeiter, was ich eben nicht weiss. Spanisch, wie ich nun schon ein bisschen geworden bin, wage auch ich mich weiter. Eine Barriere nach 300 Metern verhindert dann allerdings die Weiterfahrt und der Parkwächter sagt mir höflich aber bestimmt, dass es für mich keine Durchfahrt gebe. Auch der spanische Naturschutz beginnt also langsam zu greifen, recht so. Die nahe Kaserne der Guardia Civil sowie die Höhenforschungsstation der Universität Granada werden noch kurz begutachtet und dann geht es talwärts.
Das oberste Stück der Strasse wird neu angelegt. Die Verkehrsregelung hier funktioniert
echt spanisch. Es wird jeweils nur ein Auto durchgelassen. Wie das funktioniert? Der Arbeiter drückt mir ein Holzstück in die Hand mit der Aufforderung „Gib es meinem Kollegen auf der anderen Seite“. Sobald dieser mich kommen sieht, springt er auf, nimmt mir das Holzstück ab, bedankt sich auch noch und lässt „sein“ Auto passieren. Alles klar?
Nach einer Stunde und einem Bier bin ich dann wieder unten in Granada und nehme die Autovia Richtung Motril. Schon in Lanjarón fahre ich ab. Diese kleine Stadt ist bekannt für ihr Mineralwasser und liegt auf der anderen Seite der Sierra Nevada. Hier esse ich etwas. Es ist wunderbar und kostet mit einer halben Flasche Wein und einem Espresso ganze 8 Euro. Zur Auswahl standen 4 Primeros und 4 Secondos. Dass von hier angeblich 90% des spanischen Mineralwassers herkommt, kann ich dann aber doch nicht glauben. Diese Angaben sind aus den 70-er Jahren, aber da hat man auch noch eher Sangria etc. getrunken.
Hier ist auch der Eingang ins schöne Alpujarra Tal. Besonders wegen der üppigen Flora ein beliebtes Wandergebiet im Frühling und Herbst. Windräder begrüssen einem fast unheimlich am Taleingang. Die Riesendinger stehen teilweise fast an der Strasse und irritieren ganz schön.
Vorerst weiter nach Orjira. Hier beginnt die Bergstrass hinauf nach Treveléz. Dort werden die Schweine in den Eichelwäldern gehalten. Der Schinken, welcher nur hier produziert wird, soll allererster Güte sein, nussig im Geschmack, und in der Bergluft getrocknet. Man muss ihn allerdings in den Läden kaufen im Restaurant erhalte ich ihn nicht. Zu teuer, der Kommentar. Eigentlich schade. Eicheln fressende Schweine sehe ich keine, sie verziehen sich bei dieser Hitze vermutlich in die Wälder.
Das Hotel in welchem ich ab steige ist absolut top, nur 1 Stern zwar, aber ein schönes Zimmer mit Badezimmer für 25 Euro. Der Betreiber, Pepe Alvarez, leidet allerdings an der spanischen Urkrankheit. Ist ziemlich faul der Kerl. Da auch er mir dann zu jedem Bierchen 1 Tapas serviert, bin ich dann schon satt und er muss keine lange Bestellung aufnehmen. Aber auch hier, wie in ganz Spanien, das alte Lied. Man bräuchte 2 Restaurants, gebaut werden dann 12, mit der tragischen Folge, dass eigentlich alle so gut wie leer sind. Wer hat ihnen allen nur das Hohelied der reichen Touristen vorgespielt? Zwar ist dieses Hotel mit 5 Partien gut gebucht, die jungen Spanier schleichen sich dann allerdings in einen Mercado, kommen mit einem Sack Esswaren zurück und verzehren das ganze auf dem Zimmer. Getrunken wird dann auch noch in einem anderen Lokal. Allerdings stolzieren sie herum wie Millionäre. —– Was für gute Gäste waren wir jeweils bei den Naturfreunden in der Schweiz.
Alle träumen sie von den reichen Gästen die von der Costa del Sol hochfahren und das grosse Geld ins Dorf bringen. Aber die „reichen“ Gäste fressen aus dem Plastiksack und beziehen ihr gekühltes Cola beim Tourist-Infostand. Dabei gibt sich das Land Andalusien soviel Mühe diesem traumhaften schönen Tal etwas Leben einzuhauchen. Vor allem sind keine Bergbahnen hier, welche die Leute in die Höhe karren würden. Mag sein, dass dies der Grund ist, dass nicht mehr Touristen hier sind. Auch gibt es nur 2 Wanderwege, und die sind beide 6 – 8 Std. lang, ohne Verpflegungsmöglichkeiten unterwegs. Nicht jedermanns Sache. Im Frühling und Herbst sicher machbar, im Sommer fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Einheimischen baden übrigens in der Treveléz, welche auch jetzt noch ziemlich Wasser führt.
Am anderen Morgen mache ich mich ohne Z’Morge auf den Rückweg. Der Wirt ist zwar
schon auf, aber ein Kaffee oder so? Das hätte ihm eindeutig zu viele Mühe gemacht. Er macht schliesslich erst um 9 Uhr auf. Was man unten an der Küste jetzt begriffen hat ist hier oben eben noch nicht angekommen: Die Freundlichkeit zum Gast und der Wille zur perfekten Dienstleistung. Es wird vielleicht noch kommen. Mañana … Hoffen wir es!
Um vielleicht doch noch etwas Lesbares aufzutreiben, fahre ich noch einmal in die Altstadt von Granada. Mit grossem Glück finde ich einen Parkplatz gegenüber eine Kaffeebar.
Endlich, das Sandwich und die 2 Milchkaffees schmecken herrlich, die Bedienung hier ist sehr angenehm. Den zweiten Kaffee muss ich nicht einmal bezahlen.
Granada hat zwar eine schöne Altstadt, die heute zu einem grossen Teil autofrei ist. Die Camioneure fugen die ganzen Pakete mit Sackrollis hinein. Bis 9 Uhr scheint auch ein Lieferdienst möglich zu sein. Der Verkehr rings um die Altstadt ist allerdings massiv und die Strassen werden fortwährend ausgebaut. Die Trams, welch früher durch die Stadt
fuhren, sind eliminiert worden. Der Spanier ist ein Auto- und Rollerfan, auch wenn der Busbetrieb gut ausgebaut wurde. Fazit: Granada ist sicher einen Ausflug wert, dies gilt allerdings eher für die Damenwelt. Denn zum „Lädele“ bietet sich diese Stadt ganz bestimmt an, womöglich sollten jedoch Frühling und Herbst dazu genutzt werden. Es gibt hier grosszügig angelegte Plätze mit Bäumen und Restaurants zum verweilen. Die Preise sind bezahlbar, auch wenn es hier sicher etwas mehr kostet als auf dem Lande. Dies ist allerdings weltweit so und auch verständlich. Falls du hier allerdings etwas lesen möchtest, nimmst du es besser mit. Im Unterschied zur Küste gibt es hier so gut wie keine deutschsprachige Literatur, obwohl es nur so von Touristen wimmelt. Verweilen tut man, so scheint es, nicht lange in Granada. ….Tourismus eben im Jahre 2009 !
Alex will mich heute zum Fussballspielen mitnehmen. Er spielt jeden Donnerstag aktiv
in Antequera in einer gemischten ausländischen Mannschaft. Es ist mir zu heiss und ich ziehe es vor, zum Türken zu gehen. Einen Dürüm soll es wieder einmal sein dazu zwei Cola. Er schmeckt mir sehr gut. Der Wirt, der arme Kerl, hat sich dieses Restaurant im Frühling gekauft. Er ist zugezogen von Alicante und hat dafür 150’000 Euro bezahlt, wie er mir voller Stolz berichtet. Aber der Andalusier scheint kein Fan dieser Kost zu sein. Jedenfalls bin ich wieder einmal der einzige Gast und Türken gibt es hier sehr wenige.
Auf dem Rückweg kaufe ich in einem Tante Emma-Laden (die gibt es hier noch in grosser Zahl) 1 ½ Kilo Pfirsiche. Nach dem Duschen treffe ich Domingo und Manuelo in einer Bar, das Rio hatte Wirtesonntag.
Wieder mal bin ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Um 10 Uhr ist aus der Nacht eine eigenartige Blasmusik zu hören, welche unterstützt durch Trommelschläge in langsamem Schritt aus einer Altstadtgasse auftaucht. Der Dirigent scheint sie im Takt und Schritt zu bremsen. Immer mehr Leute mit grossen brennenden Kerzen in den Händen schliessen sich dem eigenartigen Zug an. Dieser entfernt sich in eine andere Gasse und es wird bald wieder still.
Also zurück in die Bar. Allerdings nicht für lange, denn nach einer halben Stunde ertönt erneut wieder diese eigenartige Musik. Das muss ich sehen. Und dann taucht sie auf. Eine riesige Maria-Statue, von 16 Männern getragen, biegt langsam um die Ecke. Sie ist hell erleuchtet. Und wieder dieser bedächtige Gang, so alle 2 Sekunden ein Schritt. Es folgen ihr, so typisch spanisch, der Pfarrer und die Honoratioren der Stadt und anschliessend das gemeine Volk. Das ganze kommt auf dem Dorfplatz zu stehen. Einige Musiker nutzen die kurze Pause um in der Bar ein Bier zu kippen.
Jetzt stimmt die Musik wieder ihre melancholische Musik an. Die Statue wird wieder gebuckelt und alles verschwindet in der Altstadtgasse. Da muss ich dabei sein. Der Zug bewegt sich Richtung alter Kirche. Dort angelangt wird die heilige Jungfrau mit grosser Präzision durch den Haupteingang getragen und neben dem Altar abgestellt. Sie ist sicher an die 4 ½ Meter hoch. Der Pfarrer spricht noch ein paar Worte, alle bekreuzigen sich. Jetzt wollen alle möglichst schnell aus der Kirche. Teilweise wird richtig hinaus geeilt. Die Feier ist vorbei. Man muss sie gesehen haben und ich war dabei.
Das Kläffen zweier Hunde weckt mich heute um 6 Uhr früh. Ich sitze auf dem Balkon um meine Gedanken zu Papier zu bringen. Ich habe mich gestern eingehend mit dem Abstieg des weltweit grössten Versicherungskonzerns der AIG befasst. Die Geschichte in Kürze:
Der Börsenwert dieses Unternehmens stieg von 1990 bis 1998 von 4,8 auf 120 Milliarden.
Wie gesagt der Börsenwert. Da kam einem Finanzgenie in den Sinn faule Kredite der Banken gegen gute „Gebühren“ zu versichern. Der Ertrag stieg und stieg. Der Börsenwert auch. Alle jubelten. Die Rating Rate ein stolzes AAA+. Zum ersten Mal versuchte man Geschäfte mit Schulden zu machen, man verbriefte sie gegen Gebühren. Es wurden keine fixen Personen- und Sachwerte wie Menschen, Autos, Schiffe, Flugzeuge und Fussballer-beine versichert, sondern nicht bemessbare Schulden. Der Börsenwert stieg bis 2005 auf 240 Milliarden Dollar. Alle jubelten noch mehr. Keiner schien sich Gedanken zu machen wie es möglich war, dass eine Firma in nur 12 Jahren ihren Börsenwert um das 48-fache
steigerte. Es gab laut „Experten“ nur eine Erklärung: Das sind eben Topmanager. Einfache Angestellte mit einem Jahresgehalt von 100’000 Dollar erhielten Boni von 500’000 Dollar.
Andere Unternehmen sind auf diesen „lukrativen“ Markt aufgesprungen. Sie sind inzwischen alle verschwunden, hinweg gerafft von der globalen „Finanzkrise“. Die grosse AIG konnte nicht fallen gelassen werden. Es wäre alles zusammen gebrochen. Der amerikanische Staat hat 258 Milliarden Steuergelder in das marode Unternehmen gesteckt und ist damit mit 77% Haupteigner dieses Unternehmens geworden. Der aktuelle Börsenwert liegt aktuell noch bei 1,3 Milliarden. Ende der Story !!!
Aber, was hat das alles mit Andalusien zu tun? Ich denke sehr viel. Hier, aber nicht nur hier, wird mit wenig arbeiten und dem Geld anderer überlebt. Die EU macht es möglich.
Aber bleiben wir realistisch. Auch in der Schweiz wirbt man bei jungen Leuten doch jetzt zu kaufen und in 5 Monaten zu zahlen. Interdiscount als Tochter der guten alten COOP macht es möglich. Immer mehr wird Geld ausgegeben welches faktisch gar nicht vorhanden ist. Hier in Andalusien scheint mir das Ganze noch tragischer zu sein, da die Menschen wirklich ziemlich faul sind. Die Spirale dreht sich immer schneller.
Gut, wenn man sein Geld noch in Sachwerten angelegt hat, selbst wenn auch da im Moment Verluste von 40% zu beklagen sind. Nie und nimmer werden diese reellen Objekte jedoch nur noch einen 2000stel des Wertes haben. So gesehen bin ich heute wieder froh, mein Haus in der Schweiz noch zu haben. Ein Restrisiko bleibt jedoch, wenn die Staaten dieser Welt die ungeheuren Sozialkosten nicht mehr tragen können, respektive nicht mehr tragen wollen. Bleibt zu hoffen, dass dann nicht alles wieder in Schutt und Asche geschossen wird, um wieder neue Geschäfte zu machen.